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Emesis gravidarum/ Hyperemesis gravidarum

Synonyme oder assoziierte Erkrankungen
  • Schwangerschaftserbrechen
  • Schwangerschaftsübelkeit
  • Nausea gravidarum

Die Angaben zur Häufigkeit von schwangerschaftsbedingter Übelkeit und Erbrechen schwanken zwischen 35% und 91% - durchaus auch mit länderspezifischen deutlichen Unterschieden. Die durchschnittliche Inzidenz liegt bei 70%. Man ordnet Übelkeit und Erbrechen als schwangerschaftsbedingt ein, wenn der Symptombeginn vor der 16. Schwangerschaftswoche liegt und andere Ursachen ausgeschlossen sind.

Rund 25% bis 33% leiden lediglich an Übelkeit. Der umgangssprachliche Begriff „Morgenübelkeit“ ist verharmlosend, da viele Schwangere den ganzen Tag persistierende Übelkeit spüren. Die Symptome von Übelkeit und Erbrechen treten typischerweise zwischen der 4. und 7. Woche auf und verschwinden in 60% der Fälle zum Ende des 1. Trimenons, in 90% bis zur 20. Schwangerschaftswoche. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch in der nächsten Schwangerschaft Übelkeit und Erbrechen auftreten, variiert sehr und liegt zwischen 15% bis 81%.

Die Symptome sind in etwa 1% der Schwangerschaften schwerwiegend: Die Hyperemesis gravidarum ist gekennzeichnet durch in der Frühschwangerschaft schon auftretendes Erbrechen mit Übelkeit, durch die eine normale Nahrungsaufnahme nur sehr eingeschränkt möglich ist und die den Alltag stark beeinträchtigt. Dazu kommen Dehydratation und ein Gewichtsverlust von mehr als 5% des Körpergewichtes, sowie Elektrolytveränderungen. Andere Ursachen sollten ausgeschlossen sein.

Einige Studien untersuchen mögliche Assoziationen zwischen schwangerschaftsbedingter Übelkeit und Erbrechen bzw. Hyperemesis gravidarum und dem Schwangerschaftsoutcome. So gibt es die Hypothese, dass Übelkeit und Erbrechen mit einer geringeren Rate an Fehl- und Frühgeburten assoziiert sind. Diskutiert werden ein höheres Risiko für sog. Low-Birth-Weight Babys (<2500g) nach Schwangerschaftserbrechen und Hyperemesis. Widersprüchliche Ergebnisse liegen zu Hyperemesis und dem Risiko für Frühgeburtlichkeit vor. Weitere mögliche beobachtete Effekte nach Hyperemesis auf die Kindsentwicklung waren uneinheitlich und geringfügig.

Viele fühlen sich mit Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft allein gelassen und sind untertherapiert. Die Betroffenen benötigen mehr Unterstützung aus dem medizinischen Bereich. In einer Studie aus England von 2019 hatten beispielsweise nur 38% der Schwangeren, die ins Krankenhaus aufgenommen wurden, zuvor eine antiemetische Medikation erhalten. Unterstützung schließt eine antiemetische pharmakologische Therapie definitiv mit ein. Sollten Frauen nach einer Schwangerschaft mit schwerer Emesis/Hyperemesis erneut schwanger werden, wird eine frühzeitige antiemetische Therapie empfohlen.

Besonderheiten einer Therapie in der Schwangerschaft

Die konservativen Therapieempfehlungen umfassen Meidung von Triggern wie beispielsweise fettes, scharfes Essen, als unangenehm empfundene Gerüche oder eine orale Eiseneinnahme. Empfohlen werden regelmäßige kleine, kohlenhydrat- und proteinreiche Mahlzeiten und ausreichendes Trinken. Familiäre und medizinische Unterstützung wirken sich positiv auf die Symptome aus.

Wirksamkeitsstudien zu alternativen und zu pharmakologischen Therapiemaßnahmen zeigten uneinheitliche Ergebnisse. Darunter sind u.a. Placebo-kontrollierte Studien, aber auch Studien, die verschiedenen Substanzen untereinander verglichen. Die Evidenz wird häufig als gering eingestuft. Dennoch lassen sich Rückschlüsse aus diesen Studien ziehen.

Ingwer, Akupunktur oder -pressur und Vitamin B6 (Pyridoxin) scheinen die Übelkeit zu reduzieren, wirken sich jedoch nicht auf das Erbrechen aus.

Pharmakologische Therapiemöglichkeiten sind H1-Antihistaminika, die ihre Wirksamkeit bei schwangerschaftsbedingter Übelkeit und Erbrechen gezeigt haben. Bei Hyperemesis gravidarum sind sie alleine jedoch nicht wirksam genug. Doxylamin in Kombination mit Pyridoxin wird seit Jahrzehnten weltweit zur Therapie bei Schwangerschaftserbrechen eingesetzt und ist seit 2019 auch in Deutschland für diese Indikation zugelassen. Meclozin gehört auch zu den Mitteln der Wahl. Allerdings liegen deutlich weniger Studien zur Wirksamkeit in der Schwangerschaft vor und es ist seit 2007 nur über Auslandsapotheken erhältlich. Dimenhydrinat stellt eine mögliche Alternative dar, die als orale und rektale Applikation erhältlich ist. Auch hier liegen nur einige kleinere Studien zur Wirksamkeit bei schwangerschaftsbedingter Übelkeit und Erbrechen vor.

Promethazin (aus der Gruppe der Phenothiazine) ist deutlich sedierender als die o.g. H1-Antihistaminika. Es stellt ebenfalls eine sichere und wirksame Therapieoption dar und kommt bei Versagen anderer Antiemetika infrage. Es wird auch bei Hyperemesis gravidarum - meist in Kombination mit anderen Antiemetika - eingesetzt.

Metoclopramid ist der gebräuchlichste Dopaminantagonist gegen Übelkeit und Erbrechen mit umfangreichen Erfahrungen in der Schwangerschaft. Wirksamkeitsstudien gibt es mit verschiedenen Vergleichsgruppen, die die Effektivität bei schwangerschaftsbedingter Übelkeit und Erbrechen belegen. Bei Hyperemesis ist die Studienlage unzureichend; es wird alleine oder im Rahmen einer Kombinationstherapie eingesetzt. Wegen des Risikos von extrapyramidalen Nebenwirkungen ist es keine Erstliniensubstanz.

Der Serotonin-Antagonist (5-HT3-Blocker) Ondansetron ist ein potentes Medikament, um Übelkeit und Erbrechen effektiv zu bessern. Die Wirksamkeit in der Schwangerschaft wurde in Studien bestätigt; bei Hyperemesis ist die Studienlage ebenfalls unzureichend. Es scheint jedoch stärker wirksam zu sein als Metoclopramid. In der Vergangenheit gab es Diskussionen über die Sicherheit von Ondansetron. Letztlich ist es aber das am besten untersuchte Antiemetikum in der Schwangerschaft mit einem allenfalls sehr gering erhöhten Risiko für Gaumenspalten.

Für Hyperemesis gibt es keine etablierten Therapieschemata. Da zudem in Studien verschiedene Definition benutzt werden, ist es schwierig, die Effektivität der pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Interventionen zu vergleichen. H1-Antiemetika alleine sind meist nicht ausreichend wirksam. Häufig ist eine intravenöse Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution notwendig und sinnvoll, wobei auch an die Substitution von B-Vitaminen, insbesondere von Thiamin (B1), gedacht werden sollte. Schon nach einer Woche mit schwerem Erbrechen und Nahrungskarenz kann es zu einem Thiaminmangel kommen, der sich unter anderem als Tachykardie und Muskelschwäche zeigt. Als pharmakologische Intervention kommen oben erwähnte Arzneimittel alleine oder in Kombination infrage.

Bei therapierefraktären Verläufen können Glukokortikoide wie Methylprednisolon, Prednisolon oder Hydrocortison versucht werden.

Insgesamt gilt es, frühzeitig bzw. bei bekannter Anamnese von Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft multimodal vorzugehen, um schwere Verläufe zu vermeiden und die Lebensqualität der Patientinnen zu verbessern. Eine evidenzbasierte Therapie, die auf die individuellen Nöte und Symptome der Schwangeren, mögliche Vor- bzw. Begleiterkrankungen und bereits ausprobierte Maßnahmen eingeht, kann die Ausprägung der Symptomatik verringern, eine körperliche und psychische Verschlechterung verhindern und die Auswirkungen auf die Lebensqualität minimieren.

Mittel der Wahl

Wenn Maßnahmen wie die Vermeidung von Triggern alleine nicht erfolgreich sind, sollten Vor- und Nachteile verschiedener Therapieoptionen mit der Schwangeren unter Einbeziehung ihrer Erfahrungen aus früheren Schwangerschaften besprochen werden. Pyridoxin und/oder Ingwer sowie Akupunktur/Akupressur können bei Übelkeit eine Option darstellen. Als pharmakologische Intervention sollte als erstes das für schwangerschaftsbedingte Übelkeit und Erbrechen zugelassene Doxylamin (in Kombination mit Pyridoxin) vorgeschlagen werden. Mögliche Alternativen sind Meclozin über die Auslandsapotheke sowie Dimenhydrinat, das allerdings weniger Erfahrungen aufweist. Alle genannten Medikamente zeigten keine Erhöhung der Gesamtfehlbildungsraten, machen aber in etwas unterschiedlichem Umfang müde. Bei schwereren Verläufen kommen Metoclopramid, allerdings nur für maximal fünf Tage, und Ondansetron infrage. Beide sind gut untersucht und sehr effektiv, sollten aber wegen spezieller möglicher Nebenwirkungen nicht primär eingesetzt werden.


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