Gefördert durch

Valproinsäure

rot
Gesicherte Teratogenität und/oder gravierende Fetotoxizität.

Der genaue Wirkmechanismus ist nicht geklärt. Es wird angenommen, dass Valproat sowohl über eine Verstärkung der Wirkung des hemmenden Neurotransmitters GABA sowie über Blockade von erregenden Na-Ionenkanälen wirkt. Valproat ist plazentagängig. Die Konzentration im Nabelvenenblut bei Geburt kann deutlich über der maternalen Plasma-Konzentration liegen. Neugeborene scheiden Valproat aufgrund der noch nicht ausgereiften Leberenzyme verzögert aus.

  • Indikation (Anwendungsgebiet)

    Epilepsie, Akute Manie, Phasenprophylaxe bei bipolar affektiver Störung.

  • Produktnamen

    Convulex®, Ergenyl®, Orfiril® und Generika

Erfahrungen in der Schwangerschaft

Erfahrungsumfang: SEHR HOCH

1. Trimenon

Valproat ist ein Teratogen. Das Fehlbildungsrisiko ist höher als bei den anderen Antiepileptika und kann das Zwei- bis Dreifache (etwa 10%) des sogenannten Basisrisikos von 3 – 5% erreichen. Einige Studien gehen sogar von einem Risiko von bis zu 20% aus. In den 80er Jahren wurde ein fetales Valproat-Syndrom beschrieben, das u.a. durch faziale Dysmorphien sowie digitale Anomalien gekennzeichnet ist. Andere Fehlbildungen, die im Zusammenhang mit einer Valproat-Exposition in der Schwangerschaft beschrieben wurden, sind u.a. Herzfehlbildungen, Hypospadien und Reduktionsfehlbildungen des Radiusstrahls. Typisch für Valproat ist vor allem das 12 – 20fach erhöhte Risiko für Spina Bifida und andere Neuralrohrdefekte, von denen ca. 1 – 2% der exponierten Kinder betroffen sind. Auch antiepileptische Polytherapien haben v.a. dann ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko, wenn sie Kombinationen mit Valproat enthalten. Das Auftreten von Fehlbildungen und neurokognitiven Störungen ist dosisabhängig; eine sichere Schwellendosis ist jedoch nicht bekannt.

2.-3. Trimenon / Perinatal

Diverse Studien haben einen deutlichen Zusammenhang zwischen intrauteriner Valproat-Exposition und neurokognitiven Entwicklungsstörungen gezeigt. Bei den intrauterin exponierten Kindern wurden u.a. Intelligenzminderungen, Verhaltensauffälligkeiten sowie Störungen der Sprachentwicklung und des Lernens beschrieben. Außerdem wurde ein erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen beobachtet. Bei Langzeitbehandlung mit Valproat bis zur Geburt muss wie bei allen zentral aktiven Substanzen mit Anpassungsstörungen beim Neugeborenen gerechnet werden.

Empfehlungen zur Schwangerschaft

Planung einer Therapie oder Planung einer Schwangerschaft unter Therapie

Frauen im gebärfähigen Alter dürfen nur dann Valproat anwenden, wenn die Bedingungen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms erfüllt werden. Bei einer geplanten oder bestehenden Schwangerschaft darf Valproat nicht eingesetzt werden. Die einzige Ausnahme sind Patientinnen mit Epilepsie, für die keine geeigneten therapeutischen Alternativen zur Verfügung stehen, so dass sie auf eine antikonvulsive Therapie mit Valproat angewiesen sind. Diese sollten ab Planung der Schwangerschaft bis mindestens zum Ende des 1. Trimenon täglich 0,8 mg Folsäure einnehmen. Da das Risiko für Fehlbildungen und neurokognitive Defizite dosisabhängig ist, sollte die individuelle Dosis kritisch überprüft und so gering wie möglich gehalten werden, außerdem sollte sie auf mindestens zwei Einzeldosen verteilt und als Retardpräparat gegeben werden.

Konsequenzen nach Anwendung in der Schwangerschaft

Nach Exposition im 1. Trimenon sollte eine weiterführende Ultraschalldiagnostik zur Kontrolle der fetalen Entwicklung durchgeführt werden. Eventuelle neurokognitive Entwicklungsstörungen oder eine Intelligenzminderung können auf diesem Weg nicht ausgeschlossen werden. Falls eine Weiterbehandlung während der Schwangerschaft bei Patientinnen mit Epilepsie unumgänglich ist, sollte die individuelle Dosis kritisch überprüft und so gering wie möglich gehalten werden, außerdem sollte sie auf mindestens zwei Einzeldosen verteilt und als Retardpräparat gegeben werden. Wenn bis zur Geburt mit Valproat behandelt wird, sollte aufgrund eventuell auftretender Anpassungsstörungen beim Neugeborenen die Entbindung in einer Klinik mit Neonatologie erfolgen.

Bitte nehmen Sie für eine individuelle Beratung mit uns Kontakt auf.

Besser geeignete Alternativen

Epilepsie: Lamotrigin, Levetiracetam.

Bipolar affektive Störung: Quetiapin, andere Neuroleptika; Lamotrigin, ggf. auch das schwach teratogene Lithium.

Paternale Anwendung

Eine Post-Marketing-Studie auf der Basis skandinavischer Registerdaten untersuchte das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei etwa 2.000 Kindern, deren Väter in den drei Monaten vor der Zeugung Valproat eingenommen hatten. In Rahmen der Studienauswertung ergab sich der Verdacht auf ein erhöhtes Risiko für die Kinder Valproat-exponierter Väter im Vergleich mit Kindern, deren Väter Lamotrigin oder Levetiracetam eingenommen hatten. Eine kausale Assoziation zwischen paternaler Valproat-Exposition und neurologischen Entwicklungsstörungen lässt sich aus dieser Studie auch aufgrund verschiedener methodischer Schwächen nicht ableiten. Eine dänische Registerstudie, die teils auf den gleichen Daten beruht, fand bei mehr als 1.300 Kindern, deren Väter in den drei Monaten vor der Zeugung Valproat eingenommen hatten, weder ein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen noch für kongenitale Fehlbildungen. Für eine abschließende Risikobewertung reichen die bisherigen Daten nicht aus.
Für weitere Details siehe Aktuelles.

Empfehlung

Bei einem stabil auf Valproat eingestellten männlichen Patienten erscheint die Weiterführung der Valproat-Medikation auch bei Kinderwunsch akzeptabel, wenn die unklare Datenlage in Kauf genommen wird.

Stillzeit

Es liegen publizierte Erfahrungen zu mehr als 50 Mutter-Kind-Paaren vor.

Pharmakokinetik

HWZ: 9 – 16 h, Neugeborene: 10 – 67 h; Proteinbindung: 80 – 95%; molare Masse: 144 g/mol; relative Dosis 1 – 6%; Anteil einer therapeutischen Säuglingsdosis von 20 mg/kg/d: ca. 6%; M/P-Quotient: bis 0.05; orale Bioverfügbarkeit: 86 – 100%.

Klinik

Bei den meisten unter Valproat gestillten Kindern fanden sich keine Auffälligkeiten. Ein Fallbericht beschreibt Sedierung beim Kind nach maternaler Kombinationstherapie mit Valproat und Primidon. Die Autoren gehen davon aus, dass v.a. Primidon für den sedierenden Effekt verantwortlich war. In einem weiteren Fallbericht werden eine vorübergehende Thrombozytopenie und Petechien beschrieben, die jedoch auch im Zusammenhang mit einer gleichzeitig auftretenden viralen Infektion stehen könnten. Die Serumkonzentration beim Kind liegt meist unter einem Fünftel der therapeutischen Werte.

Empfehlung

Stillen ist unter Monotherapie und guter Beobachtung des Kindes akzeptabel. Hierbei muss unbedingt das teratogene Risiko einer nächsten, unter Valproat-Therapie auftretenden Schwangerschaft bedacht werden.


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