Eine Post-Marketing-Studie auf der Basis skandinavischer Registerdaten untersuchte das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei Kindern, deren Väter in den drei Monaten vor der Zeugung Valproat eingenommen hatten. Zu diesem Zweck wurde das Erkrankungsrisiko von gut 2.000 Kindern Valproat-exponierter Väter verglichen mit dem Risiko von Kindern, deren Väter Lamotrigin oder Levetiracetam eingenommen hatten. Die adjustierten kumulativen Risiken für neurologische Entwicklungsstörungen wurden länderspezifisch berechnet und ergaben für die paternale Valproat- Monotherapie im Vergleich mit paternaler Lamotrigin- oder Levetiracetam-Monotherapie Werte von 5,6% versus 3,2% (Dänemark), 5,6% vs. 2,5 % (Schweden) und 4,0% vs. 2,3% (Norwegen). In der Studienauswertung wurde allerdings auf methodische Schwächen der bisher nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlichten Studie hingewiesen: Unter anderem wurden die Kinder der Valproat-exponierten Väter deutlich länger nachbeobachtet und die Kohorten unterschieden sich bezüglich wichtiger Einflussfaktoren. Auch wurden unter dem Sammelbegriff der neurologischen Entwicklungsstörung verschiedenste Krankheitsbilder subsummiert, u.a. Lernstörungen, Tremor, Myoklonien, Autismus-Spektrum-Störungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts-Störungen. Eine kausale Assoziation zwischen paternaler Valproat-Exposition und diesen Krankheitsbildern lässt sich aus dieser Studie nicht ableiten. Dies stellt auch ein Rote-Hand-Brief vom Februar 2024 fest, der aber dennoch vor einem potenziell vorhandenen Risiko warnt. Zusammenfassend heißt es dort: „Aufgrund der Limitationen der Studie ist dieses Risiko möglich, kann aber nicht als belegt angesehen werden.“ Dennoch werden verschiedene Vorsichtsmaßnahmen wie die Erörterung alternativer Behandlungsoptionen bei Kinderwunsch angeraten.
Im Juni 2024 wurde eine dänische Registerstudie publiziert, die teils auf den gleichen Daten beruht. Bei mehr als 1.300 Kindern, deren Väter in den drei Monaten vor der Zeugung Valproat eingenommen hatten, wurde weder ein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen gefunden noch für kongenitale Fehlbildungen. Auch verschiedene Subgruppen- und Sensitivitätsanalysen zeigten keine erhöhten Risiken. Unter neurologische Entwicklungsstörungen fielen in dieser Studie Intelligenzminderung, Autismus-Spektrum-Störungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts-Störungen sowie umschriebene Entwicklungsstörungen (z.B. der Sprache oder Motorik).
Insgesamt kann aufgrund der bisher vorliegenden Daten nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern eine Valproat-Einnahme des Vaters vor der Zeugung das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei den Kindern erhöht.
Eine entsprechende Stellungnahme wurde auch von den Fachorganisationen ENTIS und OTIS (European Network of Teratology Information Services und Organization of Teratology Information Specialists) publiziert (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/bdr2.2392).