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Psychosen

in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. med. Anke Rohde und Prof. Dr. med. Sarah Kittel-Schneider

Psychosen können sehr unterschiedliche Symptome und Verlaufsformen zeigen. Zwischen akuten Erkrankungsepisoden können vollständig gesunde Phasen liegen, es kann sich jedoch auch eine Residualsymptomatik einstellen. Zu den Kernsymptomen während einer akuten Episode gehören eine gestörte Wahrnehmung und Verarbeitung der Realität. Dies kann verbunden sein mit Wahnsymptomen (z.B. Verfolgungswahn, Schuldwahn und Größenwahn), Sinnestäuschungen (z.B. Halluzinationen wie Stimmenhören) und/oder starken Veränderungen von Stimmung und Antrieb. Bei schizophrenen Psychosen können auch sogenannte Ich-Störungen auftreten: zum Beispiel das Gefühl, dass die eigenen Gedanken von außen entzogen werden oder dass der eigene Körper von außen manipuliert wird. Bei schweren, akuten Erkrankungen kann es zu einer Eigen- oder Fremdgefährdung kommen.

Während der Schwangerschaft ist das Risiko für Rezidive oder Erstmanifestationen einer Psychose nicht per se erhöht, allerdings schützt die Schwangerschaft auch nicht davor. Ganz anders in der Postpartalzeit: Hier ist das Erkrankungsrisiko für psychotische Episoden deutlich erhöht. Tritt im Wochenbett erstmals eine psychotische Erkrankung auf, dann handelt es sich oft um die Erstmanifestation einer bipolaren Erkrankung.

Bei folgenden Erkrankungen können psychotische Episoden auftreten:

  • Schizophrenie/schizophrene Psychose (Prävalenz: etwa 1% der erwachsenen Bevölkerung)
  • Schizoaffektive Erkrankung
  • Akute vorübergehende psychotische Störung
  • Manie mit psychotischen Symptomen (siehe Bipolare affektive Störung)
  • Depression mit psychotischen Symptomen/wahnhafte Depression (siehe Depressive Krankheitsbilder)

Schwere psychische Erkrankungen können die Lebensbedingungen der Betroffenen so verändern, dass Faktoren mit negativem Einfluss auf die perinatale Gesundheit häufiger auftreten als bei psychisch Gesunden. Die ärztliche Beratung sollte sich deshalb nicht auf eine Prüfung und eventuelle Optimierung der Psychopharmakotherapie beschränken: Vor allem bei schweren psychischen Erkrankungen sollten die betroffenen Frauen ausführlich beraten und gegebenenfalls konkret dabei unterstützt werden, ihren Lebensstil nach Möglichkeit auf eine geplante Schwangerschaft einzustellen. Dazu gehören Verzicht auf Nikotin und Alkohol, Normalisierung des Körpergewichts, regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung, Beginn der Folsäure-Prophylaxe, gynäkologische Vorsorge und anderes.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei Frauen mit psychotischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für eine Reihe von Schwangerschafts- und Neugeborenenkomplikationen besteht. Für Frauen mit einer schizophrenen Psychose beziehungsweise für ihre Neugeborenen wurden zum Beispiel erhöhte Raten berichtet für Frühgeburtlichkeit, niedrigere APGAR-Werte sowie niedrige Geburtsgewichte in Bezug auf das Gestationsalter. Diese Risiken werden häufig nicht direkt durch die Grunderkrankung verursacht, sondern durch damit verbundene Faktoren. Beispiele dafür sind der Konsum von Nikotin oder illegalen Substanzen sowie insuffizient behandelte mütterliche Erkrankungen wie arterielle Hypertonie und metabolische Störungen.

Besonderheiten einer Therapie in der Schwangerschaft

Schwangerschaften von Frauen mit psychotischen Erkrankungen sind unabhängig von der Medikation als Risikoschwangerschaften anzusehen. Sie sollten deshalb sorgfältig gynäkologisch überwacht und engmaschig psychiatrisch begleitet werden, um Krisen oder Frühwarnsymptomen bei der Mutter und fetalen Entwicklungskomplikationen (Frühgeburtsbestrebungen, Wachstumsretardierung) rechtzeitig begegnen zu können. Auch sollte der Schwangeren eine weiterführende Ultraschalldiagnostik zur Bestätigung einer unauffälligen fetalen Entwicklung angeboten werden.

Für einen möglichst komplikationsarmen Schwangerschaftsverlauf ist es außerordentlich wichtig, dass die Patientinnen während der Schwangerschaft kein Rezidiv erleiden. Meist sind zu diesem Zweck eine antipsychotische Medikation sowie eine engmaschige psychiatrische Betreuung notwendig. Besteht bei geplanter oder bereits eingetretener Schwangerschaft eine antipsychotische Dauermedikation, sollte diese in keinem Fall abrupt in der Dosis reduziert oder abgesetzt werden, da dies die Rezidivgefahr erhöht. Bei bereits bestehender Schwangerschaft ist es meist sinnvoll, die bestehende antipsychotische Medikation unverändert fortzuführen. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn die verwendeten Antipsychotika nicht zu den Mitteln der ersten Wahl gehören oder es sich um eine antipsychotische Depot-Medikation handelt. Informationen zum Sicherheitsprofil der einzelnen Antipsychotika finden sich auf den jeweiligen Arzneimittelinformationsseiten. Falls eine Änderung der vorbestehenden Medikation sinnvoll erscheint, darf diese nur sehr überlegt und mit großer Zurückhaltung vorgenommen werden, da jede Umstellung die Gefahr einer Destabilisierung und damit eines Rezidivs mit sich bringt. Alle Veränderungen der Medikation müssen mit dem behandelnden Psychiater/der behandelnden Psychiaterin abgesprochen und psychiatrisch begleitet werden. Zunehmend etabliert sich ein therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) beim Einsatz von Psychopharmaka während der Schwangerschaft, da die veränderte Stoffwechselsituation die Clearance der Arzneimittel verändern und eine Dosisanpassung (meist eine Erhöhung der Dosis) notwendig machen kann.

Entbindung. Frauen mit psychotischen Erkrankungen in der Vorgeschichte sind nach der Entbindung besonders rückfallgefährdet. In einer Übersichtsarbeit zeigte sich, dass von den Patientinnen mit bipolarer Erkrankung oder postpartaler Psychose in der Vorgeschichte etwa jede dritte Frau nach der Entbindung ein Rezidiv erlitt. Ein sehr hohes Rezidivrisiko von 66% zeigte sich bei Patientinnen ohne phasenprophylaktische oder antipsychotische Medikation. Bei Patientinnen, die eine solche Medikation eingenommen hatten, zeigte sich ein Rezidivrisiko von 23%. Bei schizophrenen Psychosen scheint das (Wieder-)Erkrankungsrisiko direkt postpartal nicht ganz so stark ausgeprägt zu sein wie bei bipolaren Erkrankungen. Bei betroffenen Patientinnen scheint es jedoch im gesamten ersten Jahr nach der Entbindung vermehrt zu Rezidiven zu kommen. Für Frauen mit psychotischen Erkrankungen ist deshalb unter Umständen eine postpartale Prophylaxe sinnvoll, das heißt eine vorübergehende Dosissteigerung der phasenprophylaktischen beziehungsweise antipsychotischen Medikation direkt nach der Entbindung.

In jedem Fall ist eine gute Vorbereitung der Entbindung und der Postpartalzeit zu empfehlen (peripartales Management/Geburtsplanung). Dazu gehören unter anderem die Sicherstellung des Schlafs, Reizabschirmung und Stressreduktion sowie die Planung von Unterstützung durch den Partner, die Familie oder andere Helfer.

Stillzeit. Bei der Planung des Stillens ist zu bedenken, dass volles Stillen zu einem postpartalen Schlafmangel beiträgt. Ganz unabhängig von der Medikation kann deshalb zum Beispiel auch eine Mischform aus Stillen und Zufüttern sinnvoll sein, bei der in der Nacht beispielsweise der Partner die Versorgung des Kindes übernimmt. Informationen zum Sicherheitsprofil der einzelnen Antipsychotika während der Stillzeit finden sich auf den jeweiligen Arzneimittelinformationsseiten. Prinzipiell gilt, dass eine zuverlässige und verantwortungsvolle Betreuung und Beobachtung des Stillkindes gewährleistet sein muss.

Unterstützungsmöglichkeiten. Um das Rückfallrisiko möglichst gering zu halten, sollten Stress und Belastungen in der Schwangerschaft und nach der Entbindung möglichst reduziert werden. Unterstützend kann eine Familienhebamme beantragt werden, die die Familie von der Schwangerschaft an bis zu einem Jahr nach der Entbindung begleitet und betreut. Über weitere Möglichkeiten können sich betroffene Frauen und ihre Angehörigen zum Beispiel bei den Schwangerenberatungsstellen informieren. Geeignete Ansprechpartner sind auch die „Frühen Hilfen“, die in vielen Regionen gute Netzwerke zur Unterstützung von Schwangeren und jungen Familien aufgebaut haben.

Mittel der Wahl

Viele atypische Antipsychotika, insbesondere Quetiapin, sind für den Einsatz in der Schwangerschaft und im Wochenbett geeignet. Zum Umgang mit phasenprophylaktischer Medikation siehe bipolare Störungen


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