in Zusammenarbeit mit Dr. med. Silke Wegener
Der Diabetes mellitus umfasst eine heterogene Gruppe von Erkrankungen mit dem gemeinsamen Merkmal der Hyperglykämie. Die klinische Einteilung erfolgt in vier Gruppen: Diabetes mellitus Typ 1, Typ 2, andere Diabetesformen zusammengefasst unter Diabetes mellitus Typ 3 und den Gestationsdiabetes. Während der Diabetes mellitus Typ 1 durch einen absoluten Insulinmangel gekennzeichnet ist, ist der Diabetes mellitus Typ 2 vor allem durch eine Insulinresistenz geprägt. Als Gestationsdiabetes wird eine Glucosetoleranzstörung bezeichnet, die erstmals während der Schwangerschaft diagnostiziert wird und sich nach der Geburt zurückbildet.
Etwa 1% der Schwangeren in Deutschland leidet unter einem präexistenten Diabetes; der Anteil der Typ 2 Diabetikerinnen unter ihnen wird auf 10 – 30% geschätzt. Beim Gestationsdiabetes ist die Prävalenz in Deutschland aktuell ansteigend. Ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung eines Gestationsdiabetes aber auch eines Diabetes Typ 2 ist Übergewicht bzw. Adipositas. Für einen möglichst unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf und -ausgang ist eine normoglykämische Stoffwechsellage während der Gravidität essentiell. Beim Diabetes Typ 1 und Typ 2 sollte diese bereits vor der Konzeption angestrebt und erreicht werden. Schwangerschaften mit einem Diabetes mellitus sind Risikoschwangerschaften und bedürfen einer engen gynäkologischen Anbindung und interdisziplinären Betreuung. Beim Typ 1 und Typ 2 Diabetes sollte immer auch eine diabetologische Anbindung sowie eine Betreuung in einer spezialisierten Sprechstunde der Geburtsmedizin erfolgen.
Schwangerschaftsrisiken: Abhängig von der perikonzeptionellen Stoffwechseleinstellung haben Schwangere mit einem präexistenten Diabetes mellitus ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen. Dieses korreliert mit der Höhe des HbA1c-Wertes. Hierbei sind insbesondere das kardiovaskuläre,- das Skelett- und das zentrale Nervensystem betroffen, aber auch weitere und komplexe Fehlbildungen ohne einheitliches Muster sind beschrieben. Entsprechend konnte gezeigt werden, dass ungeplante Schwangerschaften bei Frauen mit präexistentem Diabetes mellitus eine höhere Fehlbildungsrate aufweisen als geplante Schwangerschaften. Das Risiko für Spontanaborte ist bei einem schlecht eingestellten Diabetes ebenfalls erhöht. Bei Diabetikerinnen treten zudem vermehrt uteroplazentare Versorgungsprobleme mit daraus resultierenden Erkrankungen, wie z.B. einer Präeklampsie, auf. Auch die Frühgeburtenrate ist deutlich erhöht. Die perinatale Morbidität des Säuglings korreliert mit den mütterlichen Blutzuckerwerten. Typische neonatale Komplikationen bei unzureichend eingestelltem mütterlichem Blutzucker sind u.a. neonatale Hypoglykämie, Hyperbilirubinämie sowie Atemstörungen und Makrosomie mit entsprechenden Geburtskomplikationen.
Diabetes mellitus und Kinderwunsch: Bereits drei Monate präkonzeptionell ist ein HbA1c-Wert von < 7%, bei fehlendem Hypoglykämierisiko möglichst von < 6,5% anzustreben. Empfohlen sind zudem eine Folsäuresupplementierung drei Monate vor Konzeption bis zum Abschluss der 12. Schwangerschaftswoche sowie eine Jodsubstitution während der gesamten Schwangerschaft. Neben einer optimalen Stoffwechsellage sollten auch Komorbiditäten und diabetische Komplikationen schon präkonzeptionell bestmöglich behandelt sein.
Präexistenter Diabetes mellitus in der Schwangerschaft: Beim präexistenten insulinpflichtigen Diabetes mellitus sollten die Strategien der Insulintherapie frühzeitig mit den behandelnden Ärzten besprochen werden. Bei einem nicht-insulinpflichtigen Typ 2 Diabetes sollten orale Antidiabetika bzw. GLP-1-Analoga auf Humaninsulin bzw. Insulinanaloga umgestellt werden. Eine Metformin-Therapie kann eine alternative Therapieoption für Typ-2-Diabetikerinnen in der Schwangerschaft darstellen. Der HbA1c-Wert sollte regelmäßig kontrolliert und die Blutzuckerzielwerte in der Selbstmessung mit der Patientin besprochen werden. Da ein erhöhtes Präeklampsierisiko besteht, sollte ein kombiniertes Ersttrimester- und Präeklampsiescreening erfolgen sowie eine Prophylaxe mit ASS 150 mg/d angesprochen werden. Empfohlen sind eine frühe Feindiagnostik Ende des ersten Trimenons sowie eine weiterführende Ultraschalluntersuchung im zweiten Trimenon. Da bei Neugeborenen diabetischer Mütter häufiger Komplikationen beobachtet werden, sollte die Entbindung in einem Perinatalzentrum erfolgen.
Gestationsdiabetes: Beim Gestationsdiabetes wird zunächst eine Lebensstilintervention mit Änderung der Ernährung und Bewegung empfohlen. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichend sein, erfolgt auch beim Gestationsdiabetes eine intensivierte konventionelle Insulintherapie, aber auch nur Basalinsuline oder kurzwirksame Insuline können eine Option darstellen. Metformin kann nach individueller Indikationsstellung und Nutzen-Risiko-Abwägung off-label erwogen werden. Auch beim Gestationsdiabetes ist eine enge fachärztliche Anbindung erforderlich. Ist der Gestationsdiabetes insulinpflichtig, wird die Entbindung in einem Perinatalzentrum empfohlen, ansonsten in einer Klinik mit angeschlossener Neonatologie.
Medikamentöse Therapie – Insuline: Humaninsuline sind die Diabetesmedikamente mit der längsten Markterfahrung in der Schwangerschaft, sowohl Normalinsulin als auch NPH-Insuline können in der Schwangerschaft verwendet werden. Aber auch für den Einsatz von Insulinanaloga in der Schwangerschaft gibt es inzwischen Daten. Einige dieser Studien wurden vom Hersteller finanziert und sind unter seiner Mitwirkung durchgeführt und ausgewertet worden. Weder bei Humaninsulinen noch bei den Insulinanaloga wird ein relevanter plazentarer Übergang erwartet. Insulin lispro und Insulin aspart sind die am besten untersuchten kurzwirksamen Insulinanaloga. Zum Insulin glulisin gibt es bislang nur Surveillance Daten, die noch keine differenzierte Risikobewertung ermöglichen. Die langwirksamen Insulinanaloga mit den meisten Erfahrungen sind Insulin detemir und Insulin glargin. Das neueste Analogon, Insulin degludec, erwies sich in einer Studie mit schwangeren Typ-1-Diabeterinnen als nicht unterlegen gegenüber Insulin detemir. In Abwägung der aktuellen Stoffwechselsituation kann eine Therapiefortsetzung mit Insulin degludec beim präexistenten Diabetes mellitus in Betracht gezogen werden.
Bei einem Diabetes mellitus Typ 1 und insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2 können nach aktueller Leitlinienempfehlung sowohl Humaninsulin als auch Insulinanaloga eingesetzt bzw. fortgesetzt werden. Eine Umsetzung der Insulinanaloga in der Schwangerschaft ist in der Regel nicht notwendig. Neben der Datenlage spielen der individuelle Krankheitsverlauf und das Ziel einer möglichst optimalen Blutzuckereinstellung sowie die Vermeidung von Blutzuckerschwankungen eine entscheidende Rolle für die Therapieentscheidung. Dies sollte bei einer Nutzen-Risiko-Abwägung der schlechter untersuchten Insuline bedacht und mit der Patientin besprochen werden. Auch beim Gestationsdiabetes können Insulinanaloga indiziert sein. Prinzipiell ist zu beachten, dass sich der Insulinbedarf während der Schwangerschaft ändert. In der Regel ist dieser im ersten Trimenon geringer als vor der Schwangerschaft und steigt im zweiten und dritten Trimenon deutlich an, wobei er zum Zeitpunkt der Geburt wieder schnell abfallen kann.
Medikamentöse Therapie – Orale Antidiabetika und GLP-1-Analoga: Metformin und Glibenclamid sind die oralen Antidiabetika mit den meisten Daten in der Schwangerschaft. Bei Metformin bestehen keine Hinweise auf ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko oder andere unerwünschte Effekte bei Mutter und Kind. Im März 2022 wurde Metformin von der Europäischen Arzneimittelkommission für die Anwendung beim Diabetes mellitus Typ 2 in der Schwangerschaft zugelassen. Bei hoher Insulinresistenz kann Metformin entsprechend auch eine Option in der Schwangerschaft darstellen und darf fortgesetzt werden. Eine bestehende Glibenclamid-Therapie sollte wegen des geringen Erfahrungsumfangs im 1. Trimenon nicht fortgeführt werden. Zudem zeigte Glibenclamid im Vergleich zu Metformin eine höhere Rate an unerwünschten Schwangerschaftsoutcomes wie Makrosomie und neonataler Hypoglykämie. Die Datenlage zu weiteren Antidiabetika ist insgesamt für eine Risikobewertung noch nicht ausreichend. Obwohl erste Daten zu den GLP-1-Agonisten und in geringerem Umfang auch für SGLT-2-Inhibitoren keinen Verdacht auf Embryotoxizität ergaben, reichen die Studien für eine differenzierte Risikobewertung nicht aus.
Sowohl Humaninsuline als auch Insulinanaloga können zur Behandlung eines Diabetes mellitus in der Schwangerschaft angewendet werden. Die meisten Daten liegen zu den kurzwirksamen Analoga Insulin aspart und Insulin lispro vor sowie zu den langwirksamen Insulin detemir und Insulin glargin. Der individuelle Krankheitsverlauf und die aktuelle Stoffwechselsituation sind entscheidend für die Auswahl der medikamentösen Therapie. Letztendlich obliegt die Therapieentscheidung den behandelnden Fachärzten und Fachärztinnen.
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