Methadon hydrochlorid ist ein vollsynthetischer Opioid-Agonist, der wie Morphin an den µ und κ-Rezeptoren wirkt. Es handelt es sich um ein Razemat, das heißt um ein 1:1 Gemisch aus Levomethadon und dem viel schwächer wirksamen Dextromethadon. Verfügbar sind orale Methadon-Anwendungen. Methadon ist etwa halb so wirksam wie Levomethadon, das heißt 20 mg Methadon entsprechen 10 mg Levomethadon. Methadon ist plazentagängig.
Substitutionstherapie bei Opioidabhängigkeit im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts.
Erfahrungsumfang: HOCH
Methadon wird seit Jahrzehnten in der Substitutionstherapie Opioid-abhängiger Schwangerer eingesetzt. Es gilt nicht als Teratogen. Allerdings sind die Studienergebnisse zum Fehlbildungsrisiko von Kindern, die pränatal Methadon ausgesetzt waren, widersprüchlich und berücksichtigen vor allem die vielfältigen Verzerrungen (Bias) nicht adäquat. Wesentliche methodische Mängel sind Unklarheiten, wann die Substitutionstherapie begonnen wurde, das Fehlen einer geeigneten Kontrollgruppe, eine teilweise fehlende Transparenz, wie Fehlbildungen in „major“ und „minor“ eingeteilt wurden, oder eine fehlerhafte Klassifikation von Fehlbildungen.
Nach Substitutionstherapie mit Methadon wurde ein niedrigeres Geburtsgewicht, geringerer Kopfumfang und Körperlänge sowie eine höhere Frühgeburtenrate im Vergleich zu einer nicht-exponierten Referenzgruppe beschrieben. Dies ist, wenn auch weniger ausgeprägt, ebenfalls in einigen Studien im Vergleich zu Kindern von Buprenorphin substituierten Schwangerer beobachtet worden. Allerdings müssen diese Ergebnisse kritisch vor dem Hintergrund unterschiedlicher mütterlicher Charakteristika in den Kohorten diskutiert werden. So fand eine Metaanalyse nach zusätzlicher Adjustierung kaum mehr Unterschiede im Outcome nach Buprenorphin bzw. Methadon. Unstrittig ist, dass beim Vergleich zu Heroin die in utero Methadon-exponierten Kinder in all diesen Aspekten besser abschneiden.
Nach längerer Anwendung im 2./3. Trimenon muss mit einem Neugeborenen-Entzugssyndrom gerechnet werden, zu dem u.a. Hyperirritabilität bis zu Krampfanfällen gehören, ebenso gastrointestinale und respiratorische Symptome. Symptome können auch verzögert (48 bis 72 Stunden postpartal) auftreten und eine tage- bis wochenlange Behandlung erfordern. Ein Zusammenhang zwischen der mütterlichen Dosis und der Schwere des Entzugs konnte nicht nachgewiesen werden. Wie bei anderen Opioiden auch, kann schon eine kurzzeitige Behandlung bis zur Geburt zu einer Atemdepression beim Neugeborenen führen.
Einige kleinere Studien untersuchen die mentale und psychomotorische Entwicklung von Kindern Methadon-therapierter Mütter sowie das visuelle Outcome, insbesondere Nystagmus und Strabismus. Das Risiko für Probleme und Auffälligkeiten scheint höher zu sein, wobei fraglich ist, welcher Anteil auf die mütterliche Methadon-Medikation zurückgeführt werden kann.
Eine Substitutionstherapie, z.B. mit Methadon/Levomethadon/Buprenorphin, sollte idealerweise präkonzeptionell begonnen werden, ist aber auch zu jedem späteren Zeitpunkt möglich. Optimal ist eine stabile Einstellung schon vor der Schwangerschaft. Ein akuter Opiatentzug ist zu vermeiden. Die Substitution erfordert eine genaue Dosierung und sollte nur von erfahrenen Ärzt*innen vorgenommen werden.
Opioid-abhängige Schwangere sollten engmaschig interdisziplinär betreut werden. Eine weiterführende Ultraschalluntersuchung sollte wegen widersprüchlicher Studienergebnisse und häufigem Beikonsum legaler und illegaler Substanzen angeboten werden. Wegen des drohenden neonatalen Entzugs muss eine substituierte Schwangere in einer Klinik mit Neonatologie entbinden.
Keine. Eventuell Buprenorphin, da es Hinweise auf einen milderen neonatalen Entzug gibt.
Aus der Substitutionstherapie liegen Erfahrungen zu ca. 60 Mutter-Kind-Paaren vor, bei denen der Übergang in die Muttermilch untersucht wurde. Ferner gibt es Studien, die das klinische Outcome von mehreren 100 gestillten Kindern – besonders in der Neugeborenenperiode – beschreiben.
HWZ: 13 – 47 h; Proteinbindung: 85%; molare Masse: 309 g/mol; relative Dosis: 1 – 3% (selten 6%); M/P-Quotient: 0.05 – 1.89; orale Bioverfügbarkeit: 92%.
Die über die Muttermilch aufgenommene Dosis ist nicht ausreichend, um Entzugssymptome beim Neugeborenen nach Exposition in der Schwangerschaft zu behandeln. Diskutiert wird, ob nach einer mütterlichen Substitutionstherapie in der Schwangerschaft und darüber hinaus die Entzugssymptome beim Neugeborenen schwächer ausfallen, wenn es gestillt wird. Die Methadon-Serumkonzentrationen waren in den bisherigen Untersuchungen bei gestillten Kindern gering bis nicht nachweisbar.
Dennoch gibt es vereinzelt Fallberichte über gestillte Kinder, die schwere bis tödliche Symptome hatten. Dies ist in der Regel auf (plötzliche) exzessive mütterliche Dosierungen, auf zusätzlichen Konsum von zentral dämpfenden Substanzen oder auf eine neu in der Stillzeit begonnene Methadon-Therapie zurückzuführen.
Frauen, die schon während der Schwangerschaft Methadon erhalten haben und stabil sind, können im Rahmen eines Gesamtbetreuungskonzepts unter gewissen Voraussetzungen ihr Kind stillen. Dazu gehört unter anderem, dass weder Drogen noch andere zentral wirksame Substanzen zusätzlich konsumiert werden und keine HIV-Infektion vorliegt. Ein abruptes Abstillen eines voll gestillten Säuglings unter mütterlicher Methadon-Therapie sollte vermieden werden, da es Entzugssymptome beim Kind hervorrufen kann.
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