Gefördert durch

Carbamazepin

rot
Gesicherte Teratogenität und/oder gravierende Fetotoxizität.

Carbamazepin ist ein Dibenzoazepin-Derivat. Der genaue Wirkmechanismus ist bislang nicht geklärt, es wird angenommen, dass Carbamazepin über eine Stabilisierung des inaktiven Zustandes der spannungsgesteuerten Na-Kanäle und dadurch induzierte Hemmung neuronaler Entladungen wirkt. Carbamazepin ist planzentagängig.

  • Indikation (Anwendungsgebiet)

    Epilepsie, Trigeminus-Neuralgie, Phasenprophylaxe bei bipolar affektiver Störung.

  • Produktnamen

    Finlepsin®, Tegretal®, Timonil® und Generika

Erfahrungen in der Schwangerschaft

Erfahrungsumfang: SEHR HOCH

1. Trimenon

Carbamazepin ist ein Teratogen. In einem aktuellen Cochrane-Review war das Fehlbildungsrisiko nach Carbamazepin-Exposition in der Schwangerschaft etwa doppelt so hoch wie bei gesunden Schwangeren ohne Antiepileptika-Therapie. Im Vergleich zu schwangeren Frauen, die an einer Epilepsie litten, jedoch keine Antiepileptika-Therapie während der Schwangerschaft erhielten, war das Fehlbildungsrisiko etwa um das 1,5fache erhöht. Fehlbildungen, die im Zusammenhang mit einer Carbamazepin-Einnahme während der Schwangerschaft vermehrt beschrieben wurden, betreffen das kardiovaskuläre, skelettale, gastrointestinale und urogenitale System; des Weiteren treten gehäuft Gaumenspalten auf. Typisch für Carbamazepin ist außerdem das erhöhte Risiko für Neuralrohrdefekte. Laut einer älteren amerikanischen Studie liegt das Risiko für das Auftreten einer Spina bifida bei bis zu 1/100. Andere Studien fanden nur dann ein signifikant erhöhtes Risiko, wenn Carbamazepin in Kombination mit Valproat gegeben wurde. Bezüglich der kognitiven und mentalen Entwicklung der Kinder nach pränataler Carbamazepin-Exposition gibt es uneinheitliche Ergebnisse. Eine Studie berichtet von einem niedrigeren IQ im Alter von 6 Jahren in der Carbamazepin-Gruppe im Vergleich zu einer pränatal nicht exponierten Kontrollgruppe. Eine andere Studie fand zwar keinen Effekt auf den IQ, berichtet jedoch von reduzierten verbalen Fähigkeiten im Alter von 6 Jahren. Diverse andere Studien fanden keinen Zusammenhang zwischen pränataler Carbamazepin-Exposition und späterer kognitiver Entwicklung. 

2.-3. Trimenon / Perinatal

Wie bei allen zentral aktiven Substanzen muss bei Langzeitbehandlung mit Carbamazepin bis zur Geburt mit Anpassungsstörungen beim Neugeborenen gerechnet werden. Einzelne Berichte beschreiben vorübergehende lebertoxische Veränderungen bei pränatal exponierten Säuglingen. Carbamazepin gehört zu den Enzym-induzierenden Arzneimitteln, die eine Verminderung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren beim Neugeborenen induzieren können.

Zur kognitiven Entwicklung siehe 1. Trimenon.

Empfehlungen zur Schwangerschaft

Planung einer Therapie oder Planung einer Schwangerschaft unter Therapie

Da Carbamazepin ein Teratogen ist, sollte die Behandlungsindikation bei Planung einer Schwangerschaft sehr kritisch geprüft werden. Bei Epilepsien sollte die Therapie, wenn möglich, auf besser geeignete Alternativen umgestellt werden. Bei psychiatrischen Indikationen und neuropathischen Schmerzen sollte Carbamazepin nicht verwendet werden. Stattdessen sollten etablierte Psychopharmaka oder – im Rahmen einer Schmerztherapie – andere Analgetika bevorzugt werden. Carbamazepin sollte möglichst nur als Monotherapie verordnet werden, v.a. Kombinationen mit Valproat sollten aufgrund des bis zu fünffach erhöhten Fehlbildungsrisikos vermieden werden. Da Carbamazepin ein Folsäure-Antagonist ist, sollte bei zwingend notwendiger Therapie zuverlässig ab Planung einer Schwangerschaft bis mindestens Woche 12 täglich 0,8 mg Folsäure eingenommen werden. Außerdem sind die im nächsten Absatz beschriebenen Vorsichtsmaßnahmen zu beachten.

Konsequenzen nach Anwendung in der Schwangerschaft

Eine stabil eingestellte Patientin, die unter Epilepsie leidet und bei der eine Umstellung auf besser geeignete Alternativen nicht möglich ist, kann ihre Therapie mit Carbamazepin beibehalten. Aufgrund einer bekannten Dosisabhängigkeit des Fehlbildungsrisikos sollte diese so gering wie möglich gehalten und auf mehrere Einzeldosen verteilt werden, um Plasmaspitzen zu vermeiden. Retardpräparate sollten bevorzugt eingesetzt werden. Nach Therapie im 1. Trimenon sollte eine sonographische Feindiagnostik zur Kontrolle der fetalen Entwicklung empfohlen werden, um Neuralrohrdefekte und andere Fehlbildungen auszuschließen. Ggf. auftretende kognitive Defizite können auf diesem Weg nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund eventuell auftretender Anpassungsstörungen beim Neugeborenen, sollte die Entbindung in einer Klinik mit Neonatologie erfolgen. Da Carbamazepin als Vitamin K-Antagonist wirkt, muss die effektive Vitamin K-Gabe an das Kind unmittelbar nach der Geburt sichergestellt sein; dies ist durch eine parenterale Verabreichung am besten gewährleistet.

Bitte nehmen Sie für eine individuelle Beratung mit uns Kontakt auf.

Besser geeignete Alternativen

Epilepsie: Lamotrigin, ggf. auch Levetiracetam.

Trigeminusneuralgie: Lamotrigin, Levetiracetam.

Bipolar affektive Störung: Quetiapin, andere Neuroleptika, Lamotrigin, ggf. auch das schwach teratogene Lithium.

Stillzeit

Es liegen publizierte Erfahrungen zu mehr als 100 Mutter-Kind-Paaren vor.

Pharmakokinetik

HWZ: 15 – 65 h; Proteinbindung: 70 – 80%; molare Masse: 236 g/mol; relative Dosis: 3,9 – 6%; Anteil einer therapeutischen Säuglingsdosis von 20 mg/kg/d: ca. 3%; M/P-Quotient: 0 – 1.4; orale Bioverfügbarkeit: 80 – 90%.

Klinik

Bei den meisten unter Carbamazepin gestillten Kindern fanden sich keine Auffälligkeiten. Ein Fallbericht beschreibt Krampfanfall-ähnliche Symptome beim Kind nach maternaler Kombinationstherapie mit Carbamazepin, Fluoxetin und Buspiron.  Bei drei weiteren Kindern werden vorübergehende hepatotoxische Veränderungen beschrieben. In allen Fällen war Carbamazepin bereits während der gesamten Schwangerschaft eingenommen worden, so dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Stillen und der berichteten Nebenwirkungen nicht sicher gegeben ist. Die Serumkonzentration beim Kind liegt meist deutlich unter der Hälfte therapeutischer Werte.

Empfehlung

Stillen unter Monotherapie und guter Beobachtung des Kindes ist akzeptabel. Hierbei muss das teratogene Risiko einer nächsten, unter Carbamazepin-Therapie auftretenden Schwangerschaft bedacht werden.


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